
SCORPIONS, AC/DC, ROTH & STEWART: DER VERPASSTE ABGANG IN WÜRDE
Jens-Uwe BerndtTeilen
Brian Johnson von AC/DC hatte eigentlich schon seinen Hut genommen - wegen seines Tinitus'. Dann kehrte er doch wieder zurück, obwohl er die powervollen Songs der Heavy-Rock-Band nur noch leidlich herauspresst. Wir schätzen ihn für das, was er zu leisten vermochte. Und auch dafür, dass er einst AC/DC im Spiel hielt, nachdem Bon Scott verstorben war. Wie er heute kurzatmig beinahe keinen richtigen Ton mehr trifft, schmerzt.
Klaus Meine war die Stimme der lange Zeit erfolgreichsten deutschen Band auf internationalem Parkett. Sein Organ war außergewöhnlich, erklang es in Balladen, erzeugte es Gänsehaut. Mittlerweile schleicht der einst so agile Frontmann greisenhaft über die Bühne und singt eigentlich nicht mehr. Wenn man ihn heute despektierlich im Netz "Klaus Biden" nennt, dann tut das weh.
David Lee Roth war als Frontmann von Van Halen für einige Jahre die wohl dreisteste Figur im Rock-Biz. Die Band war geil, er war der Hammer und es hätte nie enden brauchen. David sieht immer noch ziemlich gut aus, auch wenn die Bewegungen kantiger geworden sind. Nur singt er nicht wirklich. Darüber kann auch sein freches Grinsen nicht hinwegtäuschen. Vor allem jüngere Rock-Fans lachen darüber. Und das nicht hinter vorgehaltener Hand. Das macht traurig.
Axel W. Rose polarisierte. Mit Guns N' Roses schrieb er Musikgeschichte, auch als einer der arrogantesten Frontmänner, die die Rock-Welt je sah. Was wären die Neunziger gewesen, wenn wir uns nicht über ihn hätten aufregen können. Dass er nicht mehr so knackig ist wie einst - geschenkt. Dass er sich allerdings nur noch durch die einst so rebellischen Songs eiert - das drückt aufs Gemüt.
Phil Collins hat Großes geleistet. In den 80s kam niemand an ihm vorbei. Ob er wollte, oder nicht. Collins war ein starker Songwriter, guter Drummer und ausgesprochen lustiger Zeitgenosse. Heutzutage auf der Bühne den eigenen körperlichen Zerfall zur Schau zu stellen... Man wollte ständig rufen: Warum nur?
Rod Stewart war ein Sex-Symbol. Und ein begnadeter Sänger. Und ein hervorragender Entertainer. Nun, er unterhält noch. Es bleibt aber ein fader Beigeschmack, da er als Sänger nicht mehr so begnadet ist. Und das mit dem Sex-Symbol... Erinnerungen sind oft viel schöner als die Realität.
Oh, und Jeff Lynne. So lange hielt er durch. Und man rechnete noch bis vor kurzem mit einem Abschied des faszinierenden Künstlers, der zum Highlight seiner Karriere werden sollte. Auftritte vor dem großen letzten Konzert bereiteten Sorgen, dann fiel das Finale aus. Vielleicht zum Glück.
Wir haben unsere Erinnerungen. Die sind wunderbar. Weil Ihr so wunderbar wart. Ihr habt den Ruhestand längst verdient. Unseretwegen müsst ihr die Last der Bühne nicht mehr tragen. Wegen des Geldes tritt von Euch keiner mehr auf. Davon wird genug da sein. Und um den jungen Rock-Fans die Möglichkeit zu geben, Euch auch mal live gesehen zu haben, müsst Ihr nicht Eure Mythen zerstören. Wer später zur Welt kam, kann sich Eure Platten kaufen, alte Auftritte im TV schauen oder sich DVDs zulegen.
Wir alle hätten Euch Abgänge in Würde gewünscht. Leider ist es dafür prinzipiell zu spät. Und trotzdem: Wir verehren Euch und danken für die vielen Jahre der schönsten Musik.